12Gesundheitsamt

Köllingstraße 1

Gebäude des Gesundheitsamtes
Gebäude des Gesundheitsamtes, 1910 (Stadtarchiv Nordhausen)

Wie alle kommunalen Gesundheitsämter übernahm das Nordhäuser Gesundheitsamt in der Zeit des Nationalsozialismus eine Schlüsselfunktion bei der Umsetzung der nationalsozialistischen Gesundheitspolitik. Diese zielte auf die „rassenhygienische“ Gesunderhaltung des „deutschen Volkskörpers“ ab. Als „minderwertig“ definierte Menschen wurden Opfer systematischer Ausgrenzung und Ermordung.

Im Januar 1934 trat das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ in Kraft. Das Gesetz erlaubte die Sterilisation ohne Einwilligung der Betroffenen und verpflichtete zugleich Ärzt:innen, Fürsorger:innen und Lehrer:innen, vermeintliche Erbkrankheiten anzuzeigen. Vor allem die Hausärzt:innen sollten zukünftig „Hüter am Erbstrom der Deutschen“ sein.

Die in der Köllingstraße eingerichtete „Beratungsstelle für Erb- und Rassenpflege“ erstellte „erbbiologische Karteien“, in denen sämtliche Informationen zur sogenannten Erbgesundheit einer Person festgehalten wurden. Zahlreiche Behörden waren in die „erbbiologische Erfassung“ der Bevölkerung eingebunden: Heiratswillige Paare mussten sich einer Eheberatung unterziehen und ihre Eignung zur Gründung einer Familie nachweisen. Ärztliche Untersuchungen in der Behörde, Hausbesuche durch Vertreter:innen der Fürsorgeämter, Befragungen von Lehrer:innen, Arbeitskolleg:innen und Nachbar:innen lieferten weitere Informationen. Allein im Jahr 1935 machten die vier eingesetzten Fürsorger:innen rund 2.000 Hausbesuche und verfassten ausführliche Berichte.

Die Behörde erstellte auf der Basis der gesammelten Daten Gutachten und beantragte damit beim sogenannten Erbgesundheitsgericht, das dem Amtsgericht angegliedert war, die Zwangssterilisation. Vor allem Fürsorgeempfänger:innen, Langzeitarbeitslose, sogenannte „Asoziale“ oder behinderte Menschen mussten sich diesem gewaltsamen medizinischen Eingriff unterziehen. In der Zeit von 1934 bis 1943 wurden auf Antrag des Nordhäuser Gesundheitsamtes insgesamt 123 Personen zwangssterilisiert. Ab 1939 wurden auch Nordhäuser:innen im Zuge der nationalsozialistischen Krankenmorde ermordet.

Nach 1945 beherbergte das Gebäude in der Köllingstraße weiterhin das staatliche Gesundheitsamt. Heute wird die Villa von Privatleuten bewohnt.