1Adolf-Hitler-Haus

Gebäude nicht mehr vorhanden
heute: Baltzerstraße 7
(Baltzerstraße 5)

Postkarte der Nordhäuser Baltzerstraße mit dem Adolf-Hitler-Haus
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Adolf-Hitler-Haus (vorne rechts), undatierte Postkarte (Archiv des Kirchenkreises Südharz, Niedergebra)
Portrait von Heinz Sting
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Heinz Sting, vor 1933 (Stadtarchiv Nordhausen)

In vielen deutschen Städten beherbergten repräsentative öffentliche Gebäude nach 1933 als „Adolf-Hitler-Haus“ oder „Braunes Haus“ die lokalen Parteizentralen der NSDAP. Die Nordhäuser Parteiführung hatte ihren Sitz im früheren Kaiser-Wilhelm-Vereinshaus in der Baltzerstraße, das 1933 in Adolf-Hitler-Haus umbenannt wurde. Hier befanden sich der Sitz der NSDAP-Kreisleitung und die Geschäftsstellen der Hitlerjugend sowie der NS-Frauenschaft.

Innerhalb der lokalen Partei-Elite Nordhausens kam es in den ersten Monaten der NS-Herrschaft zu Streitigkeiten, die nicht in das propagierte Bild der einheitlich agierenden Partei passten. Der erste NS-Oberbürgermeister und langjährige NSDAP-Ortsgruppenleiter der Stadt Nordhausen, Heinz Sting, und der Kreisleiter im NSDAP-Kreis Nordhausen-Südharz, Heinrich Keiser, lieferten sich parteiinterne Machtkämpfe, die großes Aufsehen in der Öffentlichkeit erregten. Heinz Sting, NSDAP-Mitglied seit 1925, gehörte in Nordhausen zu den prominentesten „alten Kämpfern“ der Partei. Viele Nordhäuser:innen stellten sich in der öffentlichen Auseinandersetzung hinter den als charismatisch geltenden Oberbürgermeister, der als Rechtsanwalt den Eindruck eines seriösen Politikers zu vermitteln wusste.

Der Konflikt entbrannte im Frühjahr 1934, als das Amt des Landrates des Landkreises Grafschaft Hohenstein, der die kreisfreie Stadt Nordhausen umgab, neu besetzt werden sollte. Der Preußische Regierungspräsident ernannte Sting zum interimistischen Landrat und überging damit Keiser, der diesen Posten ebenfalls für sich beanspruchte. Keiser, der mit dem Thüringer Gauleiter Fritz Sauckel verschwägert war und in diesem einen mächtigen Fürsprecher hatte, konnte den Machtkampf zunächst für sich entscheiden. Dies leitete die politische Entmachtung Stings in die Wege, der das Amt des Landrats an Keiser verlor.

Der innerparteiliche Konflikt war damit aber nicht beendet, denn Sting übergab im Sommer 1934 der Staatsanwaltschaft einen kompromittierenden Bericht über Keiser, woraufhin Haftbefehl gegen Keiser wegen Amtsmissbrauchs erlassen wurde. Am 19. Oktober 1934, drei Tage vor der Gerichtsverhandlung, wurde wiederum Heinz Sting als Oberbürgermeister beurlaubt. Gauleiter Sauckel erschien persönlich zur Gerichtsverhandlung gegen Keiser, den das Gericht wegen Nötigung, versuchter Erpressung und fahrlässiger Körperverletzung zu einem Jahr und neun Monaten Gefängnis verurteilte. Aufgrund eines Gnadenerlasses des Preußischen Ministerpräsidenten Göring blieb Keiser auf freiem Fuß und kehrte in seine Position als NSDAP-Kreisleiter zurück. Sting wurde vorübergehend aus der Partei ausgeschlossen. Ab 1939 amtierte er als Regierungsdirektor in Braunschweig.

Trotz seiner NSDAP-Vergangenheit konnte Sting nach 1945 seine Karriere als Ministerialbeamter in Niedersachsen fortsetzen. In verschiedenen regionalgeschichtlichen Publikationen zur Geschichte Nordhausens präsentierte er sich als integrer Politiker, der den „Krawall-Nationalsozialisten“ die Stirn geboten habe. Seine Beteiligung an der „Schlacht von Salza“ belegt das Gegenteil. Heinz Sting starb 1976.