Nordhausen
im Nationalsozialismus – Ein historischer Wegweiser

Die katholische Kirche reagierte zunächst verhalten auf den Aufstieg der Nationalsozialisten und verbot zu Beginn der 1930er Jahre zeitweise ihren Geistlichen die Mitgliedschaft in der NSDAP. Das Reichskonkordat vom 20. Juli 1933 zwischen dem Deutschen Reich und der katholischen Kirche sollte deren Eigenständigkeit bewahren und gleichzeitig jedes politische Agieren der Kirche unterbinden. Dieses Stillhalteabkommen verhalf dem nationalsozialistischen Regime kurzzeitig zu einem Prestigegewinn bei den Katholiken.
In den folgenden Jahren erhöhten antikatholische Propagandaaktionen den Druck auf die katholischen Jugend- und Arbeiterverbände, die schrittweise zugunsten der Hitler-Jugend (HJ) und der "Deutschen Arbeitsfront" aufgelöst wurden.

Auch in Nordhausen spitzte sich das Verhältnis zwischen den lokalen NS-Machthabern und dem katholischen Vereinswesen zu. Bei einem Konflikt zwischen der Hitler-Jugend und der katholischen Jugend bezog der Pfarrer der Dom-Gemeinde, Dechant Wilhelm Hunstiger, öffentlich Position gegen die HJ. Daraufhin veranstaltete die SA eine Demonstration vor dem Pfarrhaus in der Domstraße und warf Hunstiger vor, einem SA-Mann das kirchliche Begräbnis zu verweigern. Fensterscheiben gingen zu Bruch, und Hunstiger wurde unter Schmährufen durch die Straßen getrieben. Nach einer kurzen Inhaftierung im Siechenhof musste der Dechant die Stadt verlassen. Der "Fall Hunstiger" erregte überregional Aufsehen, selbst im Reichsjustizministerium und in Hitlers Berliner Reichskanzlei sorgte er für Aufregung. Da man dort weitere Konflikte mit der katholischen Kirche scheute, durfte Hunstiger nach einigen Wochen nach Nordhausen zurückkehren, wo er biszu seiner Abberufung in das Domkapitel Fulda im November 1941 als Pfarrer tätig blieb.

Nach 1945 bescheinigte Hunstiger dem ehemaligen NSDAP-Oberbürgermeister Sting in dessen Entnazifizierungsverfahren, politisch korrekt gehandelt zu haben. Wilhelm Hunstiger verstarb 1961 in Fulda. Zu seinem Gedenken wurde im Oktober 2004 ein "Stolperstein" in der Domstraße verlegt.